Schwerpunkt Abwasser
Frachtbasierte Kanalnetzbewirtschaftung zur Reduzierung der Gewässerbelastung
ENTfrachtEN: Entwicklung eines integralen Mess, Steuerungs und Regelungs- technik (MSR) Konzeptes zur frachtbasierten Echtzeit-Steuerung der Abwasser ableitung in Köln-Rodenkirchen
Die Kombination aus fortschreitender Urbanisierung der Lebensweisen, Klimawandel und weiterer Faktoren erfordert in der Siedlungswasserwirtschaft verstärkte Flexibilität für den Betrieb von Kanalnetzen. Die bestehenden, statischen Systeme sind oft weder für zunehmende Extremereignisse noch für die Schmutz- frachtbelastung infolge steigender Bevölkerungszahlen ausgelegt und müssen deswegen weiterentwickelt werden. Eine Möglichkeit ist die Bewirtschaftung des bestehenden Kanalnetzes unter Nutzung einer Abfluss- steuerung. Im Projekt „ENTfrachtEN“ werden im Kanalnetz vorhandene steuerbare Elemente genutzt, wel- che mithilfe von Sensordaten und Modellen so gesteuert werden, dass das bestehende Kanalvolumen ideal ausgenutzt wird und so Entlastungfrachten verringert werden.
Die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) Köln stehen vor der Herausforderung, einer schnelllebigen Klimaentwicklung und einem Bevölkerungswachstum begegnen zu müssen. Damit verbunden entstehen erhöhte Überflutungsrisiken durch eine Überlastung des Kanalnetzes. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben sich die StEB Köln in der Unternehmensstrategie Teilziele gesetzt. Dazu gehören sowohl eine bessere Ausnutzung vorhandener Kapazitäten durch Steuerung / Automatisierung sowie die Verknüpfung bisher getrennt gesteuerter Anlagen (Kläranlage und Kanalnetz) als auch die Vorhersage und Vorausberechnung von Abflüssen (quantitativ und qualitativ). An dieser Schnittstelle setzt das Projekt ENTfrachtEN an. Realisierte Kanalnetzsteuerungen sind in Deutschland bisher nur vereinzelt anzu treffen, weswegen das Projekt auch über den konkreten Anwendungsfall hin aus einen Beitrag zur besseren Nutzbarkeit und Verbreitung von Kanalnetzsteuerungen leistet. Während der überwiegende Teil der umgesetzten Konzepte auf einer volumen orientierten Optimierung der Mischwasse rentlastungen basiert, wird in ENTfrachtEN im Sinne einer integralen Betrachtung von Einzugsgebiet, Kanalisation, Kläranlage und Gewässer eine frachtorientierte Steuerung erprobt.
Dies wird beispielhaft am Einzugsgebiet Köln Rodenkirchen untersucht. Das Kanalnetz im Pilotgebiet zeichnet sich durch
seine Repräsentativität im Hinblick auf die enthaltenen Sonderbauwerke und Steuerungselemente sowie die Bebauungs und Nutzungsformen in typischen Mischwasserkanalsystemen aus, was eine Übertragbarkeit der Projektergebnisse auf andere Systeme vereinfacht.
Als innovativer Messansatz stellt die NIVUS GmbH die Ultraschallsonde NivuParQ 850, welche gemeinsam mit Durchflusssensoren an sechs Bauwerken installiert wurden (Abb. 1). Die Sonde ist in der Lage, mithilfe eines MultiEcho Systems Konzentrationen von abfiltrierbaren Stoffen (AFS) im Abwasser zu messen und so die Schmutzfracht gemein sam mit Durchflusssensoren zu bestimmen. Die Einbauorte liegen dabei entweder im Wirkungsbereich von Steuerungselementen (z.B. Hubwehren) oder im Zu oder Ablauf von Becken mit Abschlagsbauwerken.
Die Sonden werden bisher im Trennsystem erfolgreich eingesetzt und die Messwerte validiert. Da aber fünf der sechs Messstellen im Mischsystem liegen, liegt der Fokus des Projektes zunächst auf der Prüfung der Praxistauglichkeit im Mischsystem und
der Validierung der Messdaten. Dazu unterstützt das Abwasserinstitut der StEB Köln das Projekt über Probennahmen und Laboranalysen. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass in einem Jahr Messprogramm keine Probleme mit Messdriften aufgetreten sind und die Sonden wartungsarm sind. Probleme entstehen allerdings durch Ablagerungen (Abb.2). Besonders an den für die Steuerung relevan ten Hubwehren im Kanalsystem kommt es durch den Rückstau zu einer Belegung der als Kanalmäuse ausgeführten Sensoren, wodurch Messlücken entstehen können. Im Projekt werden dafür momentan Positionierungen der Sonden erprobt, welche möglichst nah an den Hubwehren liegen, um die gesteuerten Frachten zu untersuchen und gleichzeitig eine Belegung zu minimieren. Weitere Probleme traten mit dem Einbau der Sonden Rücken an Rücken auf. Durch Verzopfungen an der ersten Kanalmaus kam es zu einer Beeinflussung der zweiten Maus, wodurch die Frachtmessungen Fehler aufwiesen. Hier werden ebenfalls neue Einbaupositionen er
probt. Die Richtigkeit der Daten kann bisher noch nicht abschließend bewertet werden, wobei insbesondere der Frachtverlauf bisher vielversprechende Ergebnisse aufzeigt. Parallel wurde im Projekt ein bestehendes MIKE Urban Modell des Kanalnetzes in MIKE+ übertragen und hinsichtlich der Steuerung aktualisiert und mit den neuen Durchflussdaten hydraulisch kalibriert. Im nächsten Schritt werden nun die gewonnenen Ergebnisse der Frachtmessung abstrahiert und parametrisiert, um ein anpassbares frachtbasiertes Kanalnetzmodell mit Übertragbarkeit auf an dere Einzugsgebiete aufzubauen. In diesem sollen anschließend Steuerungsstrategien
erprobt werden. Diese wurden durch die StEB Köln und das FiW erarbeitet und sollen stufenweise implementiert werden. Zunächst wird mit simplen heuristischen Ansätzen gearbeitet, welche bei Bedarf auf Optimierungslösungen erweitert werden sollen. Die Arbeit wird durch einen Begleitkreis unterstützt. Dieser besteht aus Experten und Expertinnen in der Kanalnetzbewirtschaftung aus Forschung und Anwendung und tritt regelmäßig zusammen, um Projektergebnisse zu diskutieren und um ihre Expertise zu teilen.
Gefördert von
Ansprechpartner
Dr. sc. Dipl.-Ing.
Frank-Andreas Weber
Geschäftsführer
weber@fiw.rwth-aachen.de
Dr.-Ing. Natalie Palm
Kaufmännische Leitung
info@isa.rwth-aachen.de